Dadaismus ein Erfolg – trotz großer persönlicher Schwierigkeiten

Finanziell ist das Cabaret kein Erfolg, da sich die Einnahmen anfangs auf das Garderobengeld beschränken, während der Erlös des Verkaufs von Essen und Alkohol an den Wirt gehen. In den Pausen aber verkauft Emmy ihre selbst getippten Gedichte, um für den Lebensunterhalt etwas Geld zu verdienen, später wird auch ein kleines Eintrittsgeld erhoben.

Im Laufe des Ersten Weltkriegs breitet sich der sogenannte Dadaismus wie ein Lauffeuer in ganz Europa aus. Emmy selbst beschreibt im Rückblick ihr distanziertes Verhältnis zu Dada: „Ich habe eine Aversion gegen den Dadaismus gehabt. Es waren mir zu viele Leute entzückt davon… Dada – das Wort stammt von mir“. (EHB Rebellen HBA 95 S. 53) Während Hugo und die anderen Künstler radikal Neues ausprobieren, singt sie zumeist ihr altes Repertoire. Ein Grund hierfür mag darin liegen, dass ihre Darbietungen begeistert aufgenommen werden, wenn die Freunde die künstlerischen Experimente übertreiben und das Publikum unruhig wird.

Mitten im Trubel um Dada ändert sich plötzlich am 20. März 1916 die Lebenssituation von Emmy und Hugo einschneidend: Emmys Mutter stirbt in Flensburg, und es stellt sich die Frage, was mit Emmys neunjährigen Tochter Annemarie geschehen soll, die jahrelang bei ihrer Großmutter gelebt hat. Emmy ist bisher ihrer Verantwortung als Mutter nicht gerecht geworden. Sie hat sich um keines ihrer zwei Kinder gekümmert, sie ist als Mutter abwesend, sie kam, wenn überhaupt, sehr selten nach Flensburg zu Besuch. Der Kontakt beschränkte sich auf Briefe. Mutter und Tochter sind sich fremd. Soll das Kind zu einer Mutter geholt werden, die drogenabhängig, unstet und körperlich und psychisch angeschlagen ist und seit knapp einem Jahr mit einem Partner zusammenlebt, der kaum den Lebensunterhalt bestreiten kann? Soll es bei einem ihm unbekannten Paar wohnen, das nachts arbeiten muss, häufig umzieht, unter ständiger Geldnot leidet und noch nie mit einem Kind zusammengelebt hat?

Während Emmy trauert und wie gelähmt ist, ergreift Hugo umgehend die Initiative: „…wir lassen das Kind hierherkommen und wenn wir sehen, dass es nicht gut bei uns sein kann, dann geben wir es hier zu Bekannten in Pflege.“ (Ball: Briefe 1904-1927. Bd 1 Nr. 88 S. 106.)

Auszug aus meinem Buch: ‘Gute Ehen werden in der Hölle geschlossen’
Das wilde Leben des Künstlerpaares Hugo Ball und Emmy Hennings zwischen Dadaismus und Glauben.   FE Medienverlag
Es erscheint im April.

Über jupeer

Alfred Sobel, geboren 1954, Theologe, Bibliothekar und Mediator, arbeitet als Autor und Journalist in Berlin. Er hat u.a. Bücher über Eugen Drewermann, Theodor Storm, Immobilienkauf und den Ratgeber „Pubertät für Anfänger“ (Graefe & Unzer 2012) veröffentlicht. Er freut sich über Reaktionen seiner Leserschaft per e-mail: jupeer@web.de . Ich schreibe gerade über das Künstlerpaar Hugo Ball und Emmy Hennings, den Begründern des Dadaismus und überzeugte Katholiken, ein Buch. Von Zeit zu Zeit veröffentliche ich daraus Auszüge
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